Brigadoon

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„Brigadoon“ (1954, USA, Musicalfilm, 108 Min.)

Come live with me and be my love,

And we will all the pleasures prove

That valleys, groves, hills, and fields,

Woods, or steepy mountain yields.

And we will sit upon rocks,

Seeing the shepherds feed their flocks,

By shallow rivers to whose falls

Melodious birds sing madrigals.

And I will make thee beds of roses

And a thousand fragrant poises,

A cap of flowers, and a kirtle

Embroidered all with leaves of myrtle;

A gown made of the finest wool

Which from our pretty lambs we pull;

Fair lined slippers for the cold,

With buckles of the purest gold;

A belt of straw and ivy buds,

With coral clasps and amber studs;

And if these pleasures may thee move,

Come live with me, and be my love.

The shepherds’s swains shall dance and sing

For thy delight each May morning:

If these delights thy mind may move,

Then live with me and be my love.

“A passionate shepherd to his love” ist der Titel eines Gedichts von Christopher Marlowe, einem Dichter des «goldenen Zeitalters» der englischen Literatur. Das bukolische oder pastorale Genre, das in der griechischen und römischen Antike und dann in Westeuropa während der Renaissance seine Blütezeit erlebte, geriet jahrhundertelang in Vergessenheit. Die ländliche Idylle, die verliebten Schäfer und Schäferinnen, die typischen Lieder und Tänze des Hirtenlebens verschwanden in den verstaubten Archiven. Vincente Minnelli, ein amerikanischer Regisseur mit sizilianischen Wurzeln (der Vater von Liza Minnelli), wendet sich also wieder der alten Pastorale zu und verlegt die Handlung nach Schottland, in die fiktive Stadt Brigadoon.

Auf dem Bildschirm erscheint eine wunderschöne Landschaft — sanfte grüne Hügel, weiche Wiesen, ein plätscherndes Flussband — ein idyllisches Arkadien, «Locus amoenus» (lat. lieblicher Ort). Im Tal dieser schönen Gegend erstreckt sich ein charmantes Dorf. Die Sonne steigt hinter dem Horizont auf und beleuchtet die weißen, niedrigen Häuser mit einem Lichtstrahl, der durch das Fenster fällt. Die Bewohner des Dorfes wachen auf und recken und strecken sich — sie haben nicht weniger als hundert Jahre lang geschlafen … Zwei Amerikaner, die sich auf einer Reise verirrt haben, finden sich in Brigadoon wieder. Was folgt, ist eine Liebe ohne viel Leidenschaft und ein Happy End. Die Handlung scheint auf einem kleinen Feuer zu schmachten, sie verursacht einen süßen Schlummer und um den Zuschauer aufzuwecken, erscheint von Zeit zu Zeit ein Bösewicht auf der Bühne.

Die Filmemacher sind nicht von der klassischen bukolischen Moral abgewichen: Das Leben auf dem Lande ist unschuldiger und reiner. Sie erfinden keine neuen Bedeutungen und Symbole, sondern geben sich ganz und gar der Ästhetik hin und schwelgen sogar darin — der Film wurde für einen Oscar für Ausstattung, Musik und Kostüme nominiert. Jede Lichtbewegung und jeder Farbfleck im Bild steht im Einklang mit der Musik und dem Tanz. Auf dem Bildschirm entsteht eine ätherische Formel, ein Elixier der reinen Schönheit. Die zitronengelbe Farbe des Kleides von Fiona, die von der schönen Cyd Charisse gespielt wird, wird in dem Film eine wichtige Rolle spielen. In dem Konzept des Films ist die ideale Frau eine Blume und der Traummann ein Ritter. Sie sind die Helden eines Märchens oder vielleicht einer höheren Wirklichkeit, nach der die Seele strebt.

„Brigadoon“ ist ein Panegyrikus (lat. Festrede) an die Ästhetik, an die alte Tradition, an das Pastorale. Wie kann man nicht mit Joseph Brodsky übereinstimmen: „In gewissem Sinne schreiben wir nicht auf Russisch oder doch Englisch, wie wir meinen, sondern auf Griechisch und Latein, denn außer der Geschwindigkeit hat die neue Zeit dem Menschen keinen einzigen qualitativ neuen Begriff gegeben. 

Sollten wir nicht einen Band von Virgil oder Theokrit aufschlagen?