
Nicht nur Kaffee kann auf Wiener Art sein, sondern auch der Dezember. Wiener Kaffee ist nicht nur ein spezielles Rezept, sondern ein besonderes Ritual: das Warten auf das heiße Getränk an einem kleinen Tisch mit geschwungenen Beinen, der Duft von Kaffeebohnen, der die Wände des vorletzten Jahrhunderts durchdringt, das Plaudern älterer Wiener, das Rascheln von Zeitungen, das Spiegelbild der Porzellantasse an der spiegelnden Decke, die ersten kleinen, brennend heißen Schlucke… Der Dezember auf Wiener Art ist das Warten auf Weihnachten: Märkte, Weihnachtsbäume, Geschenke, das Leuchten der Abendlichter auf den Straßen und ihre Reflexionen, gebrochen durch die Glasscheiben der Schaufenster, heißer Wein, der Duft von Zimt, das Treiben auf Gassen und Plätzen.
Reisende, die im Dezember das alte Europa für sich entdecken, sollten vernünftigerweise auf einige Besonderheiten hingewiesen werden, um Enttäuschungen zu vermeiden. Die festliche Energie des Dezembers beginnt Ende November und rollt wie ein Schneeball dem Höhepunkt des Jahresendes entgegen – Weihnachten. Wenn wir den Vergleich fortsetzen, beginnt der Schneeball am 24. Dezember plötzlich zu schmelzen, als wäre er in einen warmen Raum, etwa in ein Wiener Kaffeehaus, geraten. Am Nachmittag des 24. Dezember schläft die Stadt ein oder stirbt gar aus und erwacht erst drei Tage später, am 27. Dezember, wieder.
Während dieser „Schlafphase“ kann Wien wie ein Ort wirken, in dem sich alle Traurigkeit und Melancholie der Welt niedergelassen haben. Hinter den Türen der Kaffeehäuser ist es dunkel, die Straßen sind verlassen, der Wein verschwindet, und mit ihm der Duft von Zimt, Nelken und Muskatnuss. Dieser bedrückende Eindruck wird auf der offenen Fläche des Heldenplatzes noch verstärkt, besonders bei Einbruch der Dunkelheit. Die Gebäude des Parlaments, des Rathauses und der Museen, die durch die kahlen Baumzweige zu sehen sind, wirken wie düstere Riesen. Über den Platz jagt der Wind, er erfasst die wenigen Passanten, die von schlechtem Wetter überrascht wurden, dringt unter warme Pullover, stößt grob in den Rücken und reißt Hüte vom Kopf.
Weihnachten in Wien wird traditionell im Kreis der Familie zu Hause gefeiert — mit einer großen oder auch kleineren Familie, an einem festlich gedeckten Tisch. Doch die Geschenke sind verteilt, die Fröhlichkeit gehört der Vergangenheit an. Die Gegenwart ist Ruhe und Müdigkeit und eine leichte Traurigkeit, wie nach dem letzten Schluck Kaffee – denn alles geht einmal vorbei. In dieser Zeit können Spaziergänge durch Wien Reisenden guttun, die ihre Muse schneller finden oder sich selbst besser verstehen wollen und dafür in Melancholie verfallen müssen. „Wo bleibt das weihnachtliche Treiben, die Märkte und der heiße Wein?“ — wird der Reisende panisch fragen und eine berechtigte Frage stellen. Schließlich ist genau dies der Grund, warum man im Dezember nach Wien reist. Wir können den besorgten Wanderer beruhigen. Die Weihnachtsszenerie, der Zimtduft des Weins, die riesigen Brezeln, die geräucherten Würste und vieles mehr werden ihn erwarten, aber vor Weihnachten. Das Fest in Wien, so seltsam es auch klingen mag, ist nicht das Weihnachtsfest selbst, sondern die Vorbereitungen darauf.
Mitte November kann man in den Kirchen noch ungeschmückte, mit Schnur zusammengebundene Tannenbäume sehen. Ende November erstrahlt die Stadt dann bereits: Lichter leuchten, glänzen, funkeln und illuminieren. Die Weihnachtsstimmung erreicht ihren Höhepunkt am 6. Dezember — dem Nikolaustag. In der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember erhalten die Kinder kleine Geschenke von Nikolaus — so nennen die Österreicher den heiligen Nikolaus. Nach altem Brauch wird über Nacht ein Strumpf an die Tür oder den Kamin gehängt, in den der Nikolaus Nüsse, Äpfel und Lebkuchen legt. Ein unartiges Kind fand früher am Morgen ein Stück Kohle im Strumpf. Auf den Wiener Straßen trifft man in dieser Zeit gelegentlich Gruppen von als Nikolaus verkleideten Figuren mit Säcken, begleitet von bösen Kreaturen, den Krampussen. Letztere lassen es sich nicht nehmen, Grimassen zu schneiden und manchmal sogar kleine Streiche zu spielen.
Auf dem Rathausplatz wird der höchste Weihnachtsbaum aufgestellt. Gewöhnlich wird der Baum sorgfältig in den österreichischen Wäldern ausgewählt und unter Begleitung eines Polizeikonvois mit Blaulicht nach Wien transportiert. Der erste Weihnachtsbaum in der österreichischen Hauptstadt wurde 1816 in der Annagasse aufgestellt, im Haus des Erzherzogs Karl von Habsburg – eines österreichischen Feldherrn, der sich durch seinen Sieg über Napoleon in der Schlacht bei Aspern auszeichnete (ihm ist das Denkmal auf dem Heldenplatz gewidmet) – und seiner Frau Henriette von Nassau-Weilburg, einer deutschen Prinzessin. In Deutschland schmückte man Weihnachtsbäume damals bereits seit Langem, doch in Wien war eine solche Tradition unbekannt. Henriette, selbst Deutsche, konnte sich ein Fest ohne Weihnachtsbaum nicht vorstellen. Sie ließ Bänder, Girlanden, goldene Nüsse, Lebkuchen und Bonbons in glänzendem Papier aus Hessen kommen, schmückte den Baum mit all diesen Kostbarkeiten und lud zahlreiche Gäste ein, darunter auch Kaiser Franz I. Die Gäste waren begeistert, mit Ausnahme von Erzherzog Johann von Habsburg, der all diese deutschen Spielereien als überflüssige Verschwendung empfand. Doch im darauffolgenden Jahr wurde im Kaiserpalast ein ähnlicher Baum aufgestellt, und so wurde der Brauch übernommen.
Im Advent wird das ohnehin schöne Zentrum Wiens noch schöner. Die belebtesten Straßen werden noch lebhafter. Die unverwechselbare Wiener Atmosphäre, durchdrungen vom Geist der Musik, Architektur, Malerei und philosophischen Gedanken, wird noch einzigartiger. Wenn die Abendlichter angehen, verwandelt sich die Altstadt, ein Mikrokosmos aus Gassen, Kirchen, Palästen, Museen, Cafés, Fiakern, Antiquitätenläden, Schmuck und Damen in Pelzmänteln mit kleinen Hunden, in eine andere, spiegelverkehrte Realität. Das Bekannte erscheint neu, das Vertraute wird unkenntlich.
Auf dem breiten, langen Graben, unter dem tiefblauen Himmel, leuchten riesige Kronleuchter; auf der schmalen Kärntnerstraße erzeugt eine Lichtergirlande aus tausenden Lampen die Illusion eines brennenden Gewölbes; die Rotenturmstraße, die zum Donaukanal führt, ist mit riesigen japanischen Laternen beleuchtet. Fast jeder Platz verwandelt sich in einen Weihnachtsmarkt, genannt Christkindlmarkt. Dort werden Christbaumschmuck, Girlanden, Tonfiguren, Schnaps, Liköre, Filzprodukte, Silberschmuck, Radierungen, die mit Aquarellen koloriert sind, Honig, hausgemachte Würste, Lebkuchen und Brezeln verkauft.
Die Wiener müssen auf den Weihnachtsmärkten jedoch nicht unbedingt einkaufen. Die Verkäufer, trotz des Gedränges oft gelangweilt, halten Ausschau nach Touristen. Das Wichtigste auf dem Markt ist, heißen Wein (Punsch oder Glühwein) zu trinken und miteinander zu plaudern. Man kann auch knusprige Langos mit Knoblauch essen, eine Wurst verzehren, noch etwas Wein trinken und weiter plaudern. Die Österreicher freuen sich ehrlich und fast kindlich auf Weihnachten und betrachten es als den wichtigsten Feiertag des Jahres. Sie geben erhebliche Summen für Geschenke aus – für enge und entfernte Verwandte, Nachbarn, Kollegen. Die Geschäfte machen in diesen Tagen ihren Jahresumsatz, Kerzen und längst vergessene Souvenirs werden von den Regalen gefegt.
„Und was ist mit Silvester?“ – fragt der neugierige Reisende. Zu Silvester sind die Menschen und die Stadt oft schon erschöpft. Bereits vor dem Jahreswechsel werfen manche Wiener ihre Christbäume weg. Die letzten Tage im alten Jahr gleichen kaltem Kaffee, Silvester selbst ist wie Kaffeesatz am Boden der Tasse. Zwar werden Feuerwerke organisiert, aber mit der gleichen Begeisterung wie Weihnachten zu feiern, scheint unmöglich – das Fest ist vorbei.