
München, von den Randbezirken bis zum Gipfel des Glockenturms des Neuen Rathauses, ist eine Männerstadt. Ihre Formel: niedrige Gebäude an den Straßen, ein klares Verkehrsnetz, ein Lebensmittelladen in der Nähe mit allem Nötigen. Keine auffälligen Konstruktionen, keine verschnörkelten Formen, keine unlogischen Linien – kein emotionaler Ausdruck, kein exaltierter Akt, keine Begeisterung, kein Protest. Ein gewisser „Herr M.“ – ein Mann, der etwas über fünfzig ist, also gerade den Höhepunkt des Lebens überschritten hat, stämmig und fest auf den Füßen, ein Arbeiter mit einem ordentlichen Bankkonto. In seiner Familie stehen alle früh auf und arbeiten viel: in Bäckereien, in Fleischereien, bei Microsoft. Die Freundin, die aus seiner Rippe hervorgegangen ist, entspricht ihm: stark, fleißig, nicht auf die Hilfe eines Mannes wartend, sondern bereit, selbst eine Hand zu bieten. Wenn die Freundin aus der Ferne kommt, wird die Verbindung wohl eher nicht dauerhaft sein. Die Hauptbedingungen im Ehevertrag von Herrn M. sind: Fleiß, Eifer, Sparsamkeit – Eigenschaften, die nicht über Nacht erworben werden, sondern über Generationen hinweg gewachsen sind und im genetischen Code eingeprägt sind.
Das Sammeln von Schmetterlingen oder das Flötenspiel gehören nicht zu den Hobbys von Herrn M. Seine Hauptleidenschaft ist das Auto. Eine durchaus verständliche Vorliebe, wenn man die Nähe der BMW- und Audi-Werke bedenkt, die mit ihren schönen, ihm seelenverwandten Linien und natürlich der Qualität anziehen. Allerdings ist Herr M., nachdem er gut gearbeitet hat, auch nicht abgeneigt, gut zu essen, und das Gegessene mit Bier herunterzuspülen, aber zu besonderen Anlässen, tief im Inneren ein Ästhet, auch mit Prosecco, wenn Austern auf der Speisekarte standen. Und wenn das Bier die Schweinshaxe benetzt oder der Prosecco auf die Auster spritzt, dann wird seine Seele für einen Moment weit aufgehen, und aus seinem Mund wird das Innigste sprudeln. Er wird leise, aber feierlich sagen, mit glänzenden Augen, dass er in Wahrheit kein Deutscher ist, sondern – ein Bayer! Und wenn der Gesprächspartner zufällig ein Wiener ist, wird ihn der leicht angetrunkene Bürger umarmen und noch leiser sagen, dass er (der Gesprächspartner aus der Musikstadt) sein fast blutverwandter Bruder sei. Aber der Norddeutsche, der ist ihm überhaupt nicht Bruder, und auch kein Kamerad, allenfalls mit Einschränkungen. Und er wird drei gewichtige Beweise vorlegen: Teilnahme am österreichisch-preußischen Krieg von 1866 auf österreichischer Seite – eins; ein erheblicher Betrag auf seinem eigenen sowie auf dem Bankkonto seines Wiener Bruders – zwei; und drittens – die hohe Nachfrage nach den gleichen Würstchen, die in München „Wiener“ genannt werden, und in Wien „Münchener“.
Er hält keine Skeletten im Schrank, da die Nutzung des Schranks für einen anderen Zweck seiner Philosophie der Rentabilität widerspricht. Angesichts des hohen Preises der Aktien des Nationaltheaters besucht Herr M. zusammen mit seiner Frau Verdi oder Puccini – um im Gesellschaftszusammenhang Solidität und Respekt zu zeigen. Die Alte und Neue Pinakothek, die mit Meisterwerken gefüllt sind, besucht er ebenfalls, aber seltener als die Oper und meistens bei Gelegenheit des Besuchs von Gästen – ebenfalls zur Wahrung der Solidität und des Status. Reisende bemerken nicht nur die feste Hand der Holländer und Italiener, sondern auch, dass die Mitarbeiter der Pinakotheken, die für die Tickets und Ordnung in den Sälen verantwortlich sind, größtenteils Menschen mit Behinderungen sind. In dieser Personalstrategie sieht man nicht nur den edlen deutschen und zudem christlichen Impuls, denjenigen zu helfen, für die Arbeit nicht nur ein Lebensproblem ist, sondern auch ein tieferer, wieder deutscher, Sinn: Jeder Mensch soll nicht in den Wolken mit den Engeln von Rubens schweben, sondern in vollem Einsatz arbeiten, um am Ende Wurst, Brezen, Audi oder ein Betriebssystem zu bekommen. Und nach ehrlicher Arbeit sollte man sich auch erholen – im Biergarten, der in der Lage ist, einen Blumenstrauß an gastronomischen Genüssen zu bieten (der schlaue Herr M. hatte bereits vor den wissenschaftlichen Untersuchungen intuitiv festgestellt, dass der Mensch fast achtzig Prozent seines Vergnügens durch den Magen erhält). Die Pinakotheken hat er wohl absichtlich abseits von den zentralen Genüssen platziert, um sich offenbar eine Ausrede zu geben, jedes Mal auf die Entfernung zu verweisen, wenn der Biergarten – gleich um die Ecke – liegt.
Die Natur und gutes Essen haben Herrn M. so großzügig mit Kraft gesegnet, dass er trotz aller Bemühungen nicht in der Lage ist (entschuldigen Sie den unfreiwilligen Kalauer), sie nur in der Arbeit zu verwenden. Die sich ansammelnden Überschüsse fließen in kleinen Dosen ins Hofbräuhaus – eine Bierhalle für gerade einmal viertausend Menschen, und brechen sich wie aus einem Vulkan auf dem Oktoberfest Bahn, wenn Krüge, Menschen, Brezen und Schweinshaxen sich vermischen. Nach dem Fall der Monarchie und dem darauf folgenden Chaos in der neuen demokratischen Struktur der Weimarer Republik sammelten sich solche Überschüsse im Bürgerbräukeller und verwandelten sich in Ideen, die weit von liberalen entfernt waren – denken wir nur an den „Bierputsch“. Aber wer ist ohne Sünde, der werfe den ersten Stein… in den Bierkeller.

Doch München verdient zweifellos nicht nur den humorvollen Ton, den sich der Autor erlaubt hat. Neben der Vielfalt an Restaurants und Biergärten begeistern und bleiben in Erinnerung auch die Museen von Weltrang, die prächtigen Kirchen, die weitläufigen Parks und die allgemeine Atmosphäre der alten Geschichte, die gleichzeitig moderne Schwingungen einer dynamischen, wirtschaftlich prosperierenden und technologisch fortschrittlichen Stadt vermittelt.
Seit seiner Gründung zog München Geld an. Im Jahr 1158 erhielt Herzog Heinrich der Löwe, dessen Figur unter anderem auf der Fassade des Neuen Rathauses zu sehen ist, das Recht, Salz durch diese Gegend zu transportieren, was zur Entstehung der Stadt und zu deren schnellem Wachstum und Wohlstand beitrug. Mitte des 13. Jahrhunderts wurde München zur königlichen Residenz, im 16. Jahrhundert zur Hauptstadt Bayerns. Heute ist es nach Berlin und Hamburg die drittgrößte Stadt Deutschlands und gilt als die reichste und einflussreichste Stadt des Landes, sogar als seine „zweite Hauptstadt“.
Die Nähe zu Italien konnte die Architektur der Stadt nicht unbeeinflusst lassen. Zahlreiche Renaissancebauten sowie im neoklassizistischen (griechischen) Stil errichtete Gebäude trugen dazu bei, dass München Spitznamen wie „die nördlichste Stadt Italiens“ oder „Athen an der Isar“ erhielt.
Die älteste Kirche Münchens, die dem heiligen Petrus gewidmet ist, wurde von Mönchen schon 100 Jahre vor der Gründung der Stadt errichtet und gilt zu Recht als ihr Herz. Der Name München stammt aus dem Althochdeutschen „Munichen“ und bedeutet „bei den Mönchen“. Von der Aussichtsplattform der Kirche aus, bei gutem Wetter, kann man die Umrisse der Alpen sehen und über das Ewige – oder vielleicht das Unvergängliche – nachdenken.
Um den Titel „Herz der Stadt“ streitet die Marienplatz – ebenfalls zu Recht. Seit der Gründung der Stadt war dieser riesige Platz, nach alten Maßstäben 100 Meter mal 50 Meter groß, ein Versammlungsort für die Bürger und beherbergte auch den Markt. Der Platz erhielt seinen Namen 1854 wegen der hier stehenden Mariensäule, die 1638 von Herzog Maximilian I. zum Dank an die Mutter Gottes für die Befreiung von Raub und Zerstörung durch die schwedische Armee während des Dreißigjährigen Krieges errichtet wurde. Den Platz umgeben beide Münchener Rathäuser – das Alte und das Neue – und hier beginnt auch die große Einkaufsstraße. Jedes Jahr finden hier die Weihnachtsmärkte statt, Straßenkünstler treten auf. Unweigerlich erinnert man sich an den Roman des nach München emigrierten Vladimir Kunin „Die Russen am Marienplatz“, und an eine der Hauptfiguren – einen Akrobaten, der seinen Lebensunterhalt am Marienplatz verdiente. Auch der Autor selbst kommt in Erinnerung, sein literarischer Abend in Wien, kurz vor seinem Tod. Kunin erzählte Schriftstelleranekdoten, sprach über seinen berühmten „Interdevochka“ und beklagte sich über das Münchener Klima, das nicht gerade für Hypertoniker geeignet sei.
Nach einem ausgiebigen Spaziergang durch München, in seinem typischen Tempo con motto, das klare rhythmische Gefühl der Stadt aufgenommen, die Architektur und die Kirchen des alten Münchens bewundernd, begeistert von Albrecht Dürers Selbstporträt in der Alten Pinakothek, gerührt von den Holzhäusern im Spielzeugmuseum im Turm des Alten Rathauses, die Köstlichkeiten auf dem Viktualienmarkt genießend – kommt man schnell zu der Erkenntnis, dass man sich der gesamten bayerischen Kultur hingibt. Und warum nicht auch eine verlockende Reise in das tiefere Bayern unternehmen, in die Alpen, zu den Seen und den Schlössern von Ludwig II.?
Solche Gedanken kommen einem, wenn man auf der festen, deutschen Steinbrücke über den Fluss Isar steht und gegen den Strom in Richtung seines Ursprungs blickt, in Richtung Österreich. Eine andere, legendäre Brücke zwischen Bayern und Österreich wurde von der bayerischen Herzogin Elisabeth, auch bekannt als Sisi, und dem österreichischen Kaiser Franz Joseph erbaut. Sisi wurde in München geboren und wuchs im Palast des Herzogs Max in der Ludwigstraße 13 auf. Ganz in der Nähe befindet sich die nach ihr benannte Elisabethstraße, die in die Franz-Joseph-Straße übergeht, und die Isar fließt auch nicht weit entfernt. Hat der junge Franz Joseph damals gedacht, dass er, indem er die junge, von ihrer Schönheit bezauberte Sisi heiratete, auch den bayerischen, münchener Charakter heiratete, der später die Geschmäcker und Stimmungen der Wiener und der gesamten österreichisch-ungarischen Monarchie beeinflusste?
Die Entschlüsselung des Münchener Charakters ist ein Grund, immer wieder hierher zurückzukehren.